Friedrich Rückert

(1788 - 1866)



Es sollen ein Gebet die Worte nicht allein,
es sollen auch ein Gebet die Gedanken sein.


Nicht was du bist, ist, was dich ehrt.
Wie du es bist, bestimmt deinen Wert.


Oft nach einem Tag,
oft schon nach einer Stunde
belächelst du den Schmerz
und fühlst nicht mehr die Wunde.


Füge dich der Zeit,
erfülle deinen Platz
und räum ihn auch getrost:
Es fehlt nicht an Ersatz!


Die Rose stand im Tau,
es waren Perlen grau,
als Sonne sie beschienen,
wurden sie zu Rubinen.


Möge jeder still beglückt
seiner Freuden warten!
Wenn die Rose selbst sich schmückt,
schmückt sie auch den Garten.


Trifft dich des Schicksals Schlag,
so mach es wie der Ball:
Je stärker man ihn schlägt,
je höher fliegt er all.


Der Adler fliegt allein, der Rabe scharenweise,
Gesellschaft braucht der Tor und Einsamkeit der Weise.


In tausend Blumen steht die Liebesschrift geprägt,
wie ist die Erde schön, wenn sie den Himmel trägt!


Die Freuden kennst du nicht,
wenn du nur Freuden kennest.
Dir fehlt das ganze Licht,
Wenn du's in Strahlen trennest.


Wer Gott finden will, der muß ihn mit sich bringen,
nur wenn er in dir ist, siehst du ihn in den Dingen


Es gibt gewisse Dinge,
die sind unfaßbar und kaum zu glauben,
daß Menschen sie vollbringen können.
Sie können lügen, ohne mit der Wimper zu zucken.


Man glaubt die Wahrheit nicht,
wenn sie ein Armer spricht,
doch selbst die Lüge glaubt man einem reichen Wicht.


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