Da lieg ich auf dem Frühlingshügel

Am 13. Mai 1828 schreibt Eduard Mörike an Johannes Mährlen:

"Hier sitz und schreib ich in dem besonnten Garten des hiesigen (katholischen) Pfarrers, (eines lebhaften 70jährigen, reinlichen Männchens). Die Laube, wo mein Tisch und Schreibzeug steht, lässt durchs junge Geisblatt die Sonne auf mein Papier spielen, der Garten liegt etwas erhöht; über die niedrige Mauer weg auf der man sich wie auf einem Gesimse setzen kann, sieht man unmittelbar auf den Wiesenplan, auf welchem die Donau ihre Scheere bildet. Links, mildansteigende Hügel, rechts, ein weiter Bogen von Bergwald. Eine Wachtel schlägt in der jungen Saat.

Hier hast Du einen Vers, der erst diesen Morgen ausgeschlupft ist:"

© by Agnes Da lieg ich auf dem Frühlingshügel,
Die Wolke wird mein Flügel,
Ein Vogel fliegt mir voraus!
Ach, sag’ mir, alleinzige Liebe,
Wo Du bleibst, daß ich bei Dir bliebe!
Doch, Du und die Lüfte – haben kein Haus.

Der Sonnenblume gleich steht mein Gemüthe offen,
Sehnend
Sich dehnend
In Lieben, in Hoffen.
Frühling, was bist du gewillt?
Wann werd ich gestillt?

© by Agnes
Ich seh die Wolken wandeln und den Fluß,
Es dringt der Sonne goldner Kuß
Mir tief bis ins Geblüt’ hinein;
Die Augen, wunderbar berauschet,
Thun, als schliefen sie ein;
Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet.
Mein Herze träumet dies und träumet das,

Erinnert sich, und weiß nicht recht an was,
Halb ist es Lust, halb ists Klage.
Mein Herz, o sage,
Was webst du für Erinnerung
In goldengrüner Zweige Dämmerung?
Alte, unnennbare Tage!


Eduard Mörike (1804 - 1875)

Eduard Mörike schrieb dieses Gedicht im Garten von Michael Wagner, des katholischen Pfarrers von Scheer, mit dem er sich angefreundet hatte. Mörike hielt sich häufig in dessen Garten auf.
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