Lamberti Umzug (Kindheitserinnerungen)

Im Zusammenhang mit dem neu einsetzenden Brauch des Halloween Festes schrieb ich vor einigen Tagen ja etwas über unser Lambertifest, welches hier leider ausstirbt, oder vielleicht sogar schon ausgestorben ist.

Ich bin mir nicht ganz sicher, wo dieser Brauch her kommt. Es gibt in Münster eine Lambertikirche, und einmal jährlich einen Lambertimarkt, wahrscheinlich hat alles den gleichen Ursprung.

Das Fest fand bei uns immer am 17. September statt, das ist der Sterbetag des Hl. Lambert von Lüttich, Bischof von Maastricht, bekannt als Hl. Lambertus.

Alle die diesen ungewöhnlichen Namen tragen feiern nach katholischem Brauch an diesem Tag ihren Namenstag. Namenstag feiern ist ein weiterer Brauch der ausstirbt.

Eine Erklärung zum Fest fand ich auf der Kirchenseite des Bistums Münster. Da heißt es unter anderem:

Etwa seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ist diese Tradition in Münster überliefert und trotz des allmählichen Verschwindens aus dem Stadtbild gibt es Vereine und Schulen, Kirchengemeinden und Privatpersonen, die diesen urmünsterschen Brauch weiter pflegen und damit erhalten.

Woher das öffentliche Sing- und Tanzspiel um die mit viel Grün und dem „gelben Heinrich“ geschmückten dreibeinigen Pyramiden kommt, liegt im Dunkeln. Erklärungsversuche allerdings gibt es mehrere: Allen voran ist natürlich an das Patronatsfest des heiligen Lambert, Bischof von Maastricht und Patron der Stadt- und Marktkirche St. Lamberti, zu denken.

Quelle: www.kirchenseite.de

Ich habe an unser Lambertifest Erinnerungen bis in meine früheste Kindheit.

Das Fest war immer vortrefflich organisiert. Die Aufgaben für die Jungen und die Mädchen waren verteilt, und da mischte sich auch niemand in die Arbeiten des anderen Geschlechts ein.

Die Jungen zogen zwei Tage vor dem Fest mit Bollerwagen los und besorgten gelben Sand, ich hab keine Ahnung wo die den herholten, wahrscheinlich von einer Kieskuhle.

Dann wurde der Sand zu einer Burg auf unserem Hof aufgehäuft und mit Spaten sehr fest geklopft. Wichtig war, dass der Sand die erforderliche Feuchtigkeit hatte, damit die Burg fest blieb und nichts abrutschte.

Oben auf die Burg kam Gestell, bestehend aus drei dicken Holzstangen, die wurden mit Tannengrün umwickelt, und wenn möglich wurde eine Lichterkette mit eingebunden, oder unten auf der Burg, am Fuß dieses Holzgestells wurde ein großes Licht aufgestellt.

Danach waren die Mädchen gefragt, sie besorgten überall in der Nachbarschaft Blumen und Blüten, und schmückten die Burg mit diesen Blüten. Dahlien waren immer sehr beliebt. Oft wurde auch die Burg mit Moos belegt, und dann erst die Blumen eingesteckt. Unsere Burg hatte meistens unten einen kleinen Rand (Sockel), und jemand mit einer schönen Handschrift schrieb dort in Schönschrift „St. Lambertus“ in den Sand, und dann wurde dieser Schriftzug mit Knallbeeren ausgelegt (ich glaube Schneebeeren heißen die richtig).

Und da kann ich mich an ein Fest erinnern, als ich noch ganz klein war (3 oder 4 Jahre) und nur zugucken durfte, wie die anderen die Burg schmückten. Dann sagte ein Nachbarmädchen, Isolde hieß sie (heißt sie immer noch) „jetzt darf Agnes auch etwas helfen“ und sie nahm mich fest in den Arm, nicht dass ich noch kopfüber in die Burg gefallen wäre, und ließ mich Knallbeeren in den Schriftzug legen. Ich war stolz wie Harry, dass ich auch etwas machen durfte. Darum hab ich es wahrscheinlich auch behalten.

Außen um die Burg war ein breiter Gang und dann wurde eine Wand aus Birken aufgestellt, die ebenfalls von den Jungen geholt wurden.

Das sah alles so toll aus, und ich finde es sehr schade, dass ich kein einziges Photo von so einer Burg habe.

Am Lamberti Abend wurden alle Laternen angezündet und wir machten einen Umzug durch die Straßen der näheren Umgebung und besuchten dort die Burgen der anderen Kinder.

Es gab ganz bestimmte Lieder, die bei diesem Umzug immer gesungen wurden, ich kann heute noch alle Texte. Ein sehr lustiges war „Guter Freund ich frage Dir“ (warum es Dir hieß weiß ich nicht, wusste schon damals keiner). Es ist ein Lied mit 12 Strophen, und ich bin stolz darauf, dass ich sie heute noch alle auswendig kann.

Wenn wir nach dem Umzug zu unserer Burg zurückkamen, durften wir alle unsere Laternen in die Burg stecken, das mußte mit äußerster Vorsicht geschehen, damit der Unterbau der Burg (der Sand) nicht ins Rutschen kam.

Dann wurden einige Lieder und Spiele gesungen und gespielt und als Höhepunkt kam einer der größten Jungen als Bur (Plattdeutsch = Bauer) verkleidet, ganz original mit Holschuhen und Kielken, einem Handstock in der Hand und einer Kipse auf dem Kopf, und marschierte um die Burg, dazu wurde dann gesungen „O Bur, wat kost’t dien Hei?“ Das war immer ein Riesenspaß, und wie habe ich mich jedes Mal gefreut, wenn ich von dem Bur in sein Gefolge gewählt wurde. Das war alles so aufregend.

Der Bur suchte sich sein Gefolge immer sehr sorgfältig aus, er marschierte mehrmals um die Burg und sah sich die Leute an, um dann jemand mit dem Handstock in die Mitte zu ziehen.

Niemand wollte der letzte sein, der Pottlecker, dazu erwählte der Bur auch immer einen Erwachsenen, was wir Kinder dann besonders lustig fanden.

Manchmal war der Bur so toll verkleidet, dass wir ihn nicht erkannten.

Ich hab den Text des plattdeutschen Liedes im Internet gefunden, aber wir sangen noch viel mehr Strophen, bei uns nahm der Bauer sich nicht nur eine Familie sowie Knecht und Magd, sondern er suchte sich auch seinen Tierbestand aus, wie Pferd, Kuh, Schwein, Schaf, Hahn und Huhn etc., das ging so lange, bis möglichst alle Kinder hinter dem Bauern her lief.

Das sind so schöne Erinnerungen, die ich an dieses Fest habe, und ich bedauere es sehr, dass die Sitte heute nicht mehr weitergegeben wird und damit wahrscheinlich ausstirbt.

Unten das Lied „O Bur, wat kost´t dien Hei?“ aber wie bereits erwähnt, sangen wir viel mehr Strophen und etliches auch anders, teilweise völlig anders, aber die Aussage war/ist gleich.

Die zweite bis vierte Zeile des Liedes wurde immer nach gleichem Muster gesungen.  Die erste Strophe sangen wir alle, die zweite der Bur, dann wieder wir, die 5. 8. 11. 14. (usw) Strophe sang immer der Bur.

1. O Bur, wat kost´t dien Hei,
o Bur, wat kost´t dien Kärmis-Hei,
jucheissa-vivat Kärmis-Hei,
o Bur, wat kost´t dien Hei?

2. Mien Hei, dat kost´t ´ne Kron´,…
3. O Bur, dat is viell to dür,…
4. Nu söck sick de Bur ´ne Fru,…
5. Dütt is miene laiwe Fru,…
6. O Bur, wat ´ne schöne Fru,…
7. Nu söck sick de Bur en Kind,…
8. Dütt is mien laiwet Kind,…
9. Oh Bur, wat en schönet Kind,…
10. Nu söck sick de ´ne Magd,…
11. Düt is miene laiwe Magd,…
12. Oh Bur, wat ne schöne Magd,…
13. Nu söck sick de Bur ´nen Knecht,…
14. Dütt is mien laiwe Knecht,…
15. Oh Bur, wat en schönen Knecht,…
16. Nu söck sick de Bur ´nen Rüen,…
17. Dütt is mien laiwen Rüen,…
18. Oh Bur, wat en schönen Rüen,…
19. Nu söck sick de Bur ´nen Knuocken,…
20. Dütt is mien laiwen Knuoken,…
21. O Bur, wat en schönen Knuoken,…
22. Nu söck sich de Bur ´nen Pottlecker,…
23. Dütt is mien laiwen Pottlecker,…
24. O Bur, wat en schönen Pottlecker,…
25. Nu krich´de Bur ´nen Schupp,…

Wer eine hochdeutsche Übersetzung möchte, die kann ich liefern, auch singender Weise  :floet:

:pc:        :geige:

Das war jetzt viel für Euch zum Lesen, falls es überhaupt jemand liest, aber für mich war es eine Freude diese Erlebnisse aus meiner Kindheit einmal aufzuschreiben.


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7 Antworten zu Lamberti Umzug (Kindheitserinnerungen)

  1. :floet: Liebe Agnes,
    ich kenne diesen Brauch nicht, bin aber auch dafür, daß man
    alte Bräuche wieder aufleben lassen sollte. Ich lese doch, wie
    Du Dich so sehr erinnerst daran. Es ist doch ein schönes Fest
    für Jung und Alt.

    Nun ist Halloween auch vorbei. Schön, daß es sowas gibt.
    Bei uns ziehen immer die kleinen Spukgestalten mit paar Erwachsenen von Haus zu Haus. Wie freue ich mich immer, wenn
    ich die strahlenden Kinderaugen sehe, wenn sie rufen: „Gib Süßes,
    sonst gibt`s Saures!“ , lach.

    Wir hatten gestern noch einen wunderschönen, warmen Sonnentag,
    :autumn: . Da hat sogar Laubfegen Spaß gemacht.

    Heute dagegen genau das Gegenteil, brrrr…. Auch gut, es wird
    ein prima Lesetag :buch: mit gutem Essen :kochen: und Fernsehen.
    Computern auch :pc: . Ich werd mal paar Fotos in PSP 9 bearbeiten, wird Zeit, daß ich wieder mal was in mein Weblog schreibe.

    Hab einen wunderschönen besinnlichen Sonntag …
    Liebe Grüße von Margot :jubel:

  2. Anne sagt:

    Guten Morgen Agnes,

    das ist eine sehr schöne Geschichte und auch Deine Erinnerungen an dieses Fest und an diese Zeit lesen sich ganz herrlich. Ich kann gut nachvollziehen, dass Du über das Vergessens dieses Brauches traurig bist, verbindet man doch eine Menge schöner Gedanken damit.
    Auch mir geht es ähnlich, vieles was in meiner Kindheit selbstverständlich war, gibt es heute nicht mehr. Und wer ist schuld daran?? Eigentlich doch wir selbst, oder nicht? Wenn man an Kinder etwas nicht weitergibt, dann gerät es in Vergessenheit. So ist das vermutlich auch mit Bräuchen. Ich glaube aber, dass dies eine ganz normale Entwicklung ist, zwar nicht unbedingt wünschenswert, aber doch gang und gäbe. Wie sonst ist es zu erklären, dass viele schöne Bräuche aus den letzten Jahrhunderten einfach im Nichts verschollen sind?
    Ich behelfe mich ein wenig daimt, dass ich wenigstens meinen Kindern aus meiner Kindheit und was wir da alles erlebt haben, erzähle. Ähnlich halte ich es übrigens auch mit Kochrezepten, die ich von meiner Mam übernommen habe, einfach durch Zusehen in der Küche. Sie stehen in keinem Kochbuch der Welt und sind in meinen Augen auch ein kleines Stück Brauch und Tradition.

    Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag!

    lg Anne

  3. Eveline sagt:

    Hallo liebe Agnes,

    danke für deine Geschichte, ich hatte bislang (außer bei dir kürzlich) noch nichts von diesem Brauch gehört, sogar der Name ist mir völlig unbekannt.

    Kann mir aber gut vorstellen, dass das ein besonderes Erlebnis für die Kinder war, klingt richtig schön!

    Hab einen schönen Sonntag!!
    Griassle, Eveline

  4. Agnes sagt:

    @ Schnappschuß
    Es freut mich sehr, dass Du diesen langen Eintrag gelesen hast.
    Ich bin sehr dafür, dass alte Bräuche nicht gänzlich verschwinden, man sollte aufpassen, dass sie nicht vergessen werden.
    Ich hoffe Du hast die Arbeit des Laub fegens beendet. Heute regnet es hier nicht, aber heute morgen lag eine dicke Nebeldecke über dem Münsterland.
    Hab mich darum direkt auf die Photopirsch gemacht.
    :photo:

    @ Anne
    Du schreibst „Und wer ist schuld daran?? Eigentlich doch wir selbst, oder nicht?“, das stimmt (jedenfalls in meinem Fall nicht), wir haben damals als unsere Kinder klein waren die Lamberti Sitte wieder aufgenommen. Ich konnte einige Nachbarn ebenfalls dafür begeistern und es hat riesig Spaß gemacht.
    Eine Nachbarin, eine ältere Dame, hat sich sogar als Bur zur Verfügung gestellt.
    Aber — es war die einzige Burg weit und breit. Im nächsten Jahr hatten wir einen großen Andrang, es kamen aus der Umgebung viele Kinder mit Laternen zu unserer Burg, einige „bösartige“ Buben, kamen um das Fest zu stören. Sie wurden zwar von den Vätern verscheucht, aber insgesamt war das Fest nur einmal schön, später war es nicht mehr das, was es sein sollte, so dass wir es nach einigen Jahren wieder aufgegeben haben. Wir hatten sonst niemand animieren können die Tradition wieder aufzunehmen.

    Was Du über die alten Rezepte schreibst, das ist schön, das wird bei uns genau so gehalten. Unsere Söhne kochen inzwischen auch gerne das nach, was ich von meiner Mama übernommen habe.

    Ich hatte noch ein ganz altes Kochbuch von meiner Mutter (ist bestimmt schon 70 Jahre alt), das hat unser jüngster Sohn mitgenommen, und er ist total glücklich damit, obschon es nicht einfach ist danach zu kochen, denn die Anweisungen beziehen sich ja noch auf Kohleherde, da steht dann nicht „Backofen auf 200° erhitzen, da muss er immer selber die Werte herausfinden.

    Danke fürs Lesen und die Rückmeldung

    @ Eveline
    Wie schön, dass Du den langen Text gelesen hast.
    Der Brauch des Lamberti Festes ist wohl nur hier im Münsterland verbreitet – gewesen.
    Ich würde mich sehr freuen, wenn er wieder aufleben würde.

  5. Kerstin sagt:

    Hallo Agnes,

    eine schöne Geschichte, ich kam erst heute zum ausführlichen lesen. Ich kenne das Lambertifest nicht, aber auch hier gibt es Feste die einfach aussterben. Schön, wenn sich noch jemand erinnert und es schriftlich festhält :-)

    LG, Kerstin

  6. Rolf sagt:

    Huhu Agnes,
    jetzt habe ich mir endlich auch mal Zeit für Deine Geschichte genommen.
    Ich finde auch dass es sehr schade ist, dass die alten Bräuche aussterben, warum weiß ich aber nicht. Jedenfalls wäre der Lamberti Umzugs-Brauch viel schöner als die aktuelle „Hallo Wien“-Sitte.
    Wiederbeleben wird man den nur schwer können bzw. es würde sehr aufwändig sein, viele Nachbarn zu mobilisieren.

    Jedenfalls ist es klasse dass Du diesen alten Brauch hier veröffentlicht hast, so ist er wenigstens nicht ganz in Vergessenheit geraten.

    Liebe Grüße
    Rolf

  7. Agnes sagt:

    @ Kerstin
    Ich hatte gar nicht erwartet, dass der Beitrag überhaupt gelesen wird, bei der Länge.
    Darum freut es mich um so mehr, dass es doch Interessenten gibt.

    @ Rolf
    Ich hab das alles auch mehr für mich aufgeschrieben, es lag mir einfach so auf der Seele.
    Um so mehr freue ich mich natürlich, dass Ihr es gelesen habt, dann hat es sich doch gelohnt den Text hier aufzuschreiben.
    Mir ist beim Schreiben ganz wohlig gewesen, als ich mich wieder an diese schönen Dinge aus meiner Kindheit erinnerte.

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